Viel Geld, wenig Ideen

Geld ist da, doch an Plänen, wie damit die Coronakrise und die Klimakatastrophe überwunden werden kann, fehlt es. Ein Interview mit Michael Soder darüber, wie 1.824,3 Milliarden Euro investiert werden könnten.

  • Bis ins Jahr 2027 will die EU 1.824,3 Milliarden Euro für den Green Deal ausgeben.
  • Doch es fehlt an einem nachhaltigen Wirtschaftskonzept.
  • Ein Interview mit Michael Soder für Arbeit und Wirtschaft.

Zwei Krisen muss die Welt gerade meistern. Die Folgen der Klimakatastrophe müssen abgemildert und die Coronakrise muss überwunden werden. Geht es nach dem Willen der Europäischen Union gibt es für beide Krisen einen gemeinsamen Plan – den Green Deal mit seinen 1.824,3 Milliarden Euro bis 2027, in dem das Aufbaupaket Next Generation EU mit seinen 750 Milliarden Euro bereits enthalten ist. Das große Ziel ist ein Strukturwandel hin zu einer nachhaltigeren und resilienten Wirtschaft.

Wohin mit dem Geld? Interview mit Michael Soder.

Den Weg dorthin haben diverse Expert:innen längst vorgezeichnet. Die EU hat klare Ziele in allen wichtigen Wirtschaftsbereichen vorgegeben. Es gibt eine Roadmap mit exakten Meilensteinen. Doch an der lokalen Umsetzung in den Nationalstaaten scheitert es oft. Das mag auch am politischen Willen liegen, doch der Mangel an hochqualifiziertem Fachpersonal, das eine langfristige Wirtschaftspolitik entwirft und auf allen Ebenen umsetzt, scheint ein größeres Hindernis zu sein.

Michael Soder, Referent in der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien mit den Schwerpunkten grüner Strukturwandel, Industriepolitik, Forschung, Technologie und Innovation, betont beispielsweise: „In Österreich fehlt offensichtlich das politische Gesamtkonzept für einen sozial-ökologischen Umbau. Es fehlt an einer strategischen Abstimmung und ressortübergreifendem politischem Commitment sowie einer engen Abstimmung mit Initiativen auf europäischer Ebene und mit großen Handelspartnern wie Deutschland.“ Das ganze Interview mit Michael Soder gibt es hier.

Milliardensummen, aber kein Konzept

Der Aufbau- und Resilienzplan ist ein gutes Beispiel. Aus diesem Topf hat Österreich zuletzt 3,5 Milliarden Euro von der EU enthalten. Wichtig wäre gewesen, dass die Projekte, die damit angestoßen werden, nicht ohnehin schon im Haushalt budgetiert gewesen wären. Denn das Geld soll zusätzliche Impulse schaffen, statt einen bestehenden Staatshaushalt ausgleichen. Doch genau das wird in Österreich getan. Soder: „Was man dem Konzept aber vorhalten kann, ist, dass teilweise bestehende oder bereits budgetierte Maßnahmen finanziert werden. Das reduziert erheblich sein Potenzial. Es gab dahingehend auch Kritik von der EU-Kommission, die Nachbesserungen blieben aber hinter den Erwartungen zurück.“

In Österreich mangelt es außerdem am politischen Willen, Investitionen in eine nachhaltige Wirtschaft überhaupt zu tätigen. Sebastian Kurz (ÖVP) hat das Land zu einem Mitglieder Frugal Four gemacht. Also jene Länder, die trotz historischen Niedrigzinsen und nie dagewesener Krisen an der Austeritätspolitik festhalten wollen. Soder: „Vor dem Hintergrund der äußerst günstigen Finanzierungslage mit negativen Realzinsen und angesichts des großen Investitionsbedarfs im Kampf gegen die Klimakrise ist das aber ökonomischer Nonsens. Jeder Euro, der jetzt investiert wird, hilft uns doppelt. Einerseits im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und andererseits im Aufbau ökologischer und digitaler Infrastrukturen der Zukunft.“

Strukturwandel als Jobmotor

Weil der Strukturwandel auch ein enormes Job-Potential hat, haben Unternehmer:innen längst aufgehört, auf die Politik zu warten. Anders als die ÖVP müssen Firmen in einem internationalen Wettbewerb bestehen und dürfen bei Zukunftstechnologien nicht zurückfallen. Soder: „Der grüne Strukturwandel ist ja nicht nur eine Herausforderung, die es zu bewältigen gilt, sondern auch eine enorme Chance für Beschäftigung und Wertschöpfung. Es entstehen Wertschöpfungsketten, Kreisläufe, Bio-Ökonomie, erneuerbare Energieerzeugung, Netz-Infrastruktur, Stromnetz, Digitalisierung, Batteriezellenfertigung, Fahrassistenzsysteme, Software für diverse Anwendungen.“

Wie ein Strukturwandel in Europa genau aussehen könnte und wie er zu mehr Wohlstand führen kann, habe ich bereits recherchiert. Wie lebensbedrohlich die Folgen der Klimakatastrophe wirklich sind, können Sie hier nachlesen. Außerdem gibt es bereits Pläne dafür, wie die Coronakrise gemeistert werden kann.

7 Antworten zu „Viel Geld, wenig Ideen”.

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  3. […] zu mehr Nachhaltigkeit stellen können. Hier wurden aber viele Chancen hergeschenkt. Auch bei der Umsetzung des Green Deal hakt es an vielen Stellen. Geld ist da, aber kein Konzept. China verfolgt zwar andere Ziele, weiß […]

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  4. […] Forderung nach Investitionen in wirtschaftlich Benachteiligte ist Höfgen nicht alleine. Auch Ökonom Michael Soder fordert entsprechende Ausgaben, um aus der Krise zu kommen. Doch die ökosoziale Steuerreform in […]

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  5. […] wegen der Beteiligung der Grünen in der neuen Regierungskoalition ist auch der bevorstehende Strukturwandel ein wichtiges Thema. Hier sollen, wie gefordert, die Arbeitnehmer:innen mit ins Boot geholt werden. […]

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  7. […] Bis zum Jahr 2050 soll die Europäische Union klimaneutral werden. Das Problem ist jedoch, dass es zwar viel Geld, aber wenige Ideen gibt. Klientelpolitik und Budgettricks helfen eben nicht wirklich gegen die Klimakatastrophe. Dabei […]

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