Peter Konstantin Laskaris, ein studierter Finanzjongleur, Marketingexperte, Weltenbummler, Wiefzack und Tausendsassa, gibt das Sprachrohr des Wiener Rotlichts. Ein Portrait.
Das Mon Cherie im Arsch war schon einmal nicht schuld. Vielleicht ein wenig die Postbank oder die im Puff versoffenen und weggevögelten Korruptionsmillionen. Nein, halt, Milliarden. Auf jeden Fall hat aber die Madame Nina Schuld.
Madame Nina ist die große Dame des Wiener Rotlichts und wird es auch immer bleiben. Da können Immobilienspekulanten ihren Nobelclub im ersten Bezirk drei Mal einreißen, sie bleibt für immer. Gold- und weiberbehangen, erhaben, ein zur Perfektion gereifter kroatischer Akzent, blondes Haar, Männer zu ihren Füßen, ein ausladender Busen als Wiege von allem, was richtig ist in dieser Welt. Eine Erscheinung.
Der kleine Peter, das war ihr Nachbar. Aus dem kleinen Peter wurde der große Peter Konstantin Laskaris. Heute 46 Jahre alt, selbst weiberbehangen, selbst Clubbetreiber und die erste Anlaufstelle für alle, die etwas über die Rotlichtszene wissen wollen. Aber damals war er nur ein neunjähriges Bürschchen. Er klopfte Ziegel und half so mit, Ninas Etablissement aufzubauen.

Zwei Etablissements um genau zu sein. Links das Bordell. Weil das damals aber noch illegal war, gab es rechts auch noch ein Restaurant mit einer Tür als Durchgang. Die Madame Nina wird für den kleinen Peter zu einer lieben Nachbarin und das Bürschchen darf sich ein wenig im Restaurant rumtreiben, sich etwas dazuverdienen und auf Ninas Schoß sitzen. Und weil das Jungs nunmal so machen, schaut er durch das Schlüsselloch der Zwischentür zum Puff und lernt, dass Rotlicht nichts Verruchtes ist. Nichts, dessen Namen man nicht aussprechen darf. Denn wenn dem so wäre, kämen ja nicht der Udo Jürgens zu besuch.
Staatlich subventioniertes Rotlicht
Während der Peter auf dem Schoß der Nina sitzt, passiert drei Kilometer weiter etwas, das mit dem der Peter genau nichts zu tun hat, das aber sein Leben nachhaltig beeinflussen wird: Die Stadt Wien baut ein neues Krankenhaus und versenkt Milliarden. Euro, nicht Schilling.
Die Baustelle gab es ab dem Jahr 1964, 1994 zog der letzte Bagger ab. Ein Megaprojekt – medizinische Versorgung auf höchstem Niveau für eine Millionenstadt. Veranschlagt waren für den Mammutbau 73 Millionen Euro. Als alles stand hatten die Steuerzahler 3,3 Milliarden Euro für den Bau ausgegeben, also das 45-fache. Eine Schätzung, für die man bis 2004 brauchte.
Die Bauzeit war eine einzige Party für die Rotlichtszene. Denn findige Zuhälter hatten ihre Clubs direkt neben der Baustelle aufgeschlagen. Projektleiter, Manager, Bauherren, Vorarbeiter und wer sonst noch am Korruptionskuchen genascht hatte, trug die Kohle bündel- und kofferweise ins Puff. Genau genommen war der Krankenhausbau eine riesige Rotlicht-Subvention.

Dieser Geldstrom hatte zwei Dinge zur Folge. Die erste war, dass „Der Gürtel“ (eine mehrspurige Verkehrsstraße, die, nomen est omen, wie ein Gürtel um den Bauch, also die inneren Wiener Bezirke, verläuft) plötzlich einen Ruf hatte wie das Frankfurter Bahnhofsviertel oder der Hamburger Kiez. Die zweite war, dass Harald Hauke zum Chef dieses Viertels aufstieg. Ein Titel, den er sich natürlich verdiente, den er aber auch von seinem Stiefvater Karl Koller erbte.
Mit dem Lehrer im Pornokino
Dem kleinen Peter konnte das erst einmal egal sein. Der wuchs wohlbehütet auf in einem trauten Heim mit seinem Vater, dem Geschäftsführer bei Bayer Österreich, seiner Mutter, der Visagistin beim ORF, der Schwester und eben der Tante Nina von nebenan. Der einzige Unterschied war, dass er keinerlei Berührungsängste vor dem Rotlicht hatte.
Und das zeigte sich, als die Pubertät zuschlug. Und das tut sie immer. Als Anführer der Clique nahm Peter seine Klassenkameraden während den Mittagspausen öfters mit ins Pornokino. Es gab in Wien eines, das sogar 16-Jährigen den Eintritt gewährte. Doch Pornokinos sind klein und auch eine Weltstadt nur ein Dorf. Und so erwischte Peter einst seinen Geometrie-Lehrer, wie er im Kino unter dem Hut wichste. Für den Lehrer eine bizarre Szene. Pornokinos sind ohnehin nicht groß, auf vielen Plätzen will man – aus klebrigen Gründen – gar nicht sitzen und plötzlich zwängt sich die halbe Klasse an dir vorbei. Ein anderes Mal ging es in eine Peepshow. Ziel und klasseninterner Wettkampf war es, trotz Animation nicht zu masturbieren. Einen Kameraden erwischten sie beim Lügen, weil seine schwarzen Cowboystiefel allzu deutlich weiße Flecken hatten. Jungsgeschichten eben.

Während nach dem Abitur für seine Freunde der Ernst des Lebens begann, zockte der kleine Peter erst einmal die Postbank ab. Der hatte zur Feier des Schullabschlusses 300.000 Schilling bekommen. Also etwa 22.000 Euro. Zwei Drittel davon verjubelte er direkt in Clubs und Bars. Mit dem letzten Drittel ging er zur Postbank. Es war der Anfang der 1990er Jahre und die Postbank rationalisierte Angestellte weg und ersetzte sie durch Computerterminals – oder „Blechtrottel“, wie Peter sie nennt. An denen konnte man alles machen. Konten eröffnen zum Beispiel. Weil das damals schöne Zeiten waren, erhielt jeder Neukunde sofort das Dreifache seines monatlichen Einkommens als Überziehungsrahmen. Der kleine Peter eröffnete also eine Vielzahl von Konten, überwies jeden Monat die letzten 100.000 Schilling im Kreis und sparte an.
Nach einem Jahr war der kleine Peter gar nicht mehr so klein. Aus dem kleinen Peter wurde der Hr. Laskaris, der ein dickes Auto fuhr. Und weil die angehäuften 1,5 Millionen Euro irgendwie deklariert werden mussten, kaufte er sich eine kleine Firma, die Werkzeuge herstellte, blies die Bilanz auf und lies das Ding pleite gehen. Resultat: drei Monate auf Bewährung wegen fahrlässiger Krida. Den Paragraph gibt es heute gar nicht mehr.
Grenzüberschreitender Prostitutionshandel
Laskaris ging nach London, um dort für Salomon Smith Barney zu arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt eine der größten Investmentbanken der Welt. London war damals wie heute die Heimat des Geldes und wies eine unglaubliche Millionärsdichte auf. Das einzige was es nicht gab war ein brauchbarer Escort-Service, der dieser Einkommensklasse auch gerecht wurde. Den baute Lasakaris auf. Für 500 Pfund bekam der Kunde eine Stunde mit einem seiner Mädels, für 2.500 Dollar gab es einen halben Tag. So verdienten Laskaris und die Frau sehr gut. Der Tarif war in etwas doppelt so hoch, wie der bis dahin übliche Preis. Aber im Gegensatz zum bestehenden Angebot wussten Laskaris Frauen, wie der Job funktionierte. Die britischen Amateur-Damen nicht.

Seine Firma hieß Centurion Holding und die „Centuriongirls“ waren stadtbekannt. Berühmte als die schwarze Kreditkarte von American Express, die ebenfalls „Centurion“ hieß. Prinz Charles erhielt damals die No. 1. Der Finanzriese verklagte den Jungunternehmer auf zehn Millionen Dollar… und verlor.
Die offizielle Bezeichnung der Frauen war Modell. Sie kamen allesamt mehr oder weniger direkt von den damals sehr populären Miss-Wettbewerben. Wunderschöne Frauen, Göttinnen, die auf viele Arten Geld verdienten, aber eher nicht als Modell. Mit diesem Angebot war Laskaris der Mann, den die Stars anriefen. Models, Sänger… sie wurden Stammgäste. Auch der Formel eins Zirkus buchte die Dienste der Nobel-Damen.
Was dann auch der Anfang vom Ende war. Denn natürlich ist es stressig am Samstag zu erfahren, dass einer der Star-Fahrer am Sonntag in Monaco gerne fünf Damen auf seiner Party hätte. Die müssen gefunden, eingekleidet, geflogen und betreut werden. Das eigentliche Problem ist aber: Es ist illegal. Völlig gleich, ob alle Beteiligten damit einverstanden sind – grenzüberschreitender Prostitutionshandel nennt sich der Parapgraph. Unschön. Damit war Laskaris auf der Blacklist der Polizei und nur einen Fehler davon entfernt, fertig gemacht zu werden.
Rotlichtkönig im Burgtheater
Der Fehler folgte 2002. Laskaris gönnte sich zwei Wochen Urlaub und beauftragte seinen Partner die Homepage zu betreuen. Der stellte – aus Blödheit, nicht aus Böswilligkeit, wie Laskaris betont – zwei Minderjährige ins Internet-Schaufenster. Laskaris wurde als Betreiber der Seite verhaftet und es offenbarte sich, wie lange und intensiv die Polizei schon hinter ihm her war.

80.000 Gesprächsprotokolle hatten die bereits angefertigt. Elfriede Jelinek machte daraus das (preisgekrönte) Burgtheater-Stück „Über Tiere“. Die pikanten Protokolle wanderten im Anschluss zu Florian Klenk – Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Falter“. Wer also wissen will, welchem Nationalratspräsident eine Luxus-Escort-Dame aus dem Hause Laskaris in der Wiener Staatsoper ein Mon Cherie in den Arsch geschoben hat, der bittet Klenk um die entsprechende Recherchearbeit.
Am Wiener Gürtel hatte sich in der Zeit aus der Rotlicht-Subkultur eine veritable Parallelgesellschaft entwickelt, in der Polizei und Clubbetreiber ein System aus Geben und Nehmen entwickelt hatten, von dem alle profitierten. Chef des Ganzen, und das schon seit den späten 1980ern: Harald Hauke. Laskaris hatte sich, neben seinem Escort-Business, zu dessen rechter Hand entwickelt.
Nicht umsonst. Denn bis heute genießt Laskaris den Ruf, einer der Schlauen der Branche zu sein. Selbst außerhalb des Rotlichts schmückt sich die Hautevolee gerne mit seinem Namen. Auf der einen Seite also Laskaris, der Virtuose in Sachen Finanz- und Marketingmanagement, auf der anderen Seite Hauke, ein eher gradliniger und bodenständiger Mensch und Problemlöser. Zusammen ein perfektes Duo.
Doch nach der Jahrtausendwende eskaliert die Situation. Problem eins war der sogenannte Nokiaclub. Eine, nun, „Firma“, die sich um die Sicherheit am Gürtel kümmerte. Für eine monatliche Pauschale bekamen Clubbetreiber eine Telefonnummer. Die konnte im Notfall angerufen werden. Dann kam der Nokiaclub und beseitige den Notfall. Eigentlich eine Art Sicherheitsfirma, ganz uneigentlich wurden die Notfälle allerdings frei Haus geliefert, zahlte jemand die Pauschale nicht.
Polizei kürt neuen Rotlichtkönig
Problem zwei war eine Polizeireform. Die brachte das Gürtel-System aus der Balance. Plötzlich musste die Exekutive einen Schuldigen liefern und nahm erst einmal alles fest, was sich am Gürtel bewegte. Alle durften mangels Beweise wieder gehen. Bis auf Hauke. An ihm blieb der Vorwurf der Vergewaltigung hängen. Nicht zufällig, sondern, so die Version von Hauke, weil sich die Konkurrenz vom Nokiaclub mit der Polizei abgesprochen hatte.

Der Herr über den Nokiaclub wollte zum neuen Gürtelchef aufstiegen und Hauke musste weg. Der offizielle Grund für die Festnahme: Er habe zwei Prostituierte zum Analverkehr gezwungen. Ein Vorwurf, den Hauke vehement bestreitet, der ihn in der Ehre kränkte und der ihn für rund drei Jahre ins Gefängnis brachte.
Damit ist die Geschichte nicht vorbei, damit beginnt sie. Denn die Garde stirbt, sie ergibt sich aber nicht. Nachdem Hauke wieder frei war, nimmt er jeden der korrupten Polizisten ins Visier. Es tauchen belastende Videos, Bilder und Zeugen auf und einer nach dem anderen wird suspendiert, muss vor Gericht und ins Gefängnis. Mit einigen Jahren Abstand wurde selbst der Betreiber des Nokiaclubs festgenommen.
Die Politik musste handeln und legte ein neues Prostitutionsgesetz vor. Die größte Auswirkung hat eine Abstandsregel. Bordelle müssen 150 Meter von Schulen, Kirchen und ähnlichen Einrichtungen entfernt sein. Das verhindert, dass sich Puffs und Bordelle in einer Straße sammeln. Denn dafür ist seitdem in keiner Straße mehr genug Platz.
Kein Platz für Hells Angels
Heute gibt es in Wien deswegen keinen klassischen Rotlicht-Kiez mehr. Das hat die Branche befriedet. Während in Frankfurt – so hört man – die Hells Angels und Russen den Ton angeben, ist das in Wien undenkbar. Denn die Clubs, Bars und Laufhäuser sind über die gesamte Stadt verteilt. Eine einzelne Gang hätte nicht die Möglichkeiten alles zu kontrollieren. Also sind die Hells Angels gute Freunde von Laskaris und die Albaner, denen im restlichen Westeuropa große Teile des Strichs gehören, betreiben Eissalons.
Überhaupt hat sich das Geschäft geändert. Das Internet und die EU-Osterweiterung waren die Wirbelstürme, die alles auf den Kopf stellten. Zum einen führt das Internet dazu, dass junge Frauen keine Angst mehr vor männlichen Genitalien haben. Kennen Sie. Haben Sie schon in allen Größen gesehen. Mittlerweile melden sich schon 15-Jährige bei Laskaris. Sie wollen einen Job und werden abgelehnt. Zum anderen kommen die meisten Frauen aus Rumänien. Ein Land, in dem exorbitante Jugendarbeitslosigkeit und Hungerlöhnen auf ein beinahe westliches Preisniveau treffen – zumindest in großen Städten wie Bukarest. Nach Wien zu fliegen und 100 Euro pro Stunde zu verdienen ist hingegen kein Problem.

Laskaris ist nicht, was man einen Rotlichtkönig nennen würde. Er ist kein Klischee. Er ist der Peter. Und der arbeitet sehr geschickt mit der Presse zusammen. Öffnet er, weil der Winter hart zuschlägt, seine Laufhäuser für Obdachlose, wissen es die Zeitungen als erstes. Und die Zimmer sind dann nicht zufällig frei, sondern weil Februar ist und die Familienväter, also seine Kundschaft, auf Schiurlaub mit der Familie sind. Da ist sowieso tote Hose im Laufhaus.
Adelig ist er auch. Per Zufall erfuhr er, dass seine Vorfahren, die kaiserliche Dynastie der Laskariden begründeten und, quasi nebenbei, den Malteser Ritterorden ins Leben gerufen haben. Von der Verwandtschaft erfuhr er, als er versuchte mit der Kreditkarte auf Malta einen Mietwagen zu bezahlen. Die Servicedame erkannte den Namen. Titel und Ländereien gibt es nicht, aber eine Geschichte. Und die ist mehr Wert. Denn die kann er erzählen, wenn er Kunden unterhalten muss. Die finden es lustig und ordern noch eine Flasche Champagner für tausend Euro.
Ohne Anwalt vor Gericht
Er schimpfte im Wahlkampf wie ein Kesselflicker auf rechtspopulistische Politiker. Die verklagten ihn, Laskaris erscheint ohne Anwalt und gibt freimütig alles zu: „Ich habe Norbert Hofer und Johann Gudenus beleidigt und ich wusste, das kostet eine gewisse Summe. Aber die Artikel sind mehr Werbung wert, als die 400 Euro, die ich zahlen muss.“ Er ist ein sehr politischer Mensch. Wahrscheinlich auch, weil er die großen Namen alle privat erlebt und weiß, was Fassade ist und was echt. „Ich kenne wirklich alle. Die Republik funktioniert nicht wegen der Politiker. Die werden jedes Jahr ausgetauscht. Sondern wegen der Hofräte und Sektionschefs, die bei mir im Kasten wichsen. Veränderungen waren noch nie ein Problem. Nicht in Wien. Und besonders nicht für Peter.
Alle Fotos: Michael Mazohl
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