Die Klimakatastrophe, der demografische Wandel, Corona und Arbeitnehmer:innen, die prekäre Arbeitsbedingungen nicht mehr hinnehmen, zwingen dem Tourismus einen Strukturwandel auf.
- Der Tourismus braucht einen Strukturwandel.
- Coronakrise deckt Schwachstellen auf.
- Eine Geschichte für Arbeit und Wirtschaft.
Es war 2019 schon klar, dass es so nicht weitergehen würde. Es war ein Partyjahr für die Tourismusbranche. Beinahe alle Winter- und Sommerdestinationen meldeten Umsatz- und Übernachtungsrekorde. Doch schon damals zeigten sich erste Risse. Vielen war klar, dass Abermillionen Touristen in Billigfliegern nicht nachhaltig sein können. Dass ein Heer aus Arbeitskräften, das am Existenzminimum lebt, kein gesundes Geschäftskonzept ist. Egal, wie sehr das Kreuzfahrtschiff glänzt.
Coronavirus: Tourismusbranche muss umdenken
Dann kam Corona. Die Arbeitnehmer:innen, die vorher kaum über die Runden kamen, fehlte plötzlich jede Lebensgrundlage. Die Unternehmen der Branche, die eben noch Rekordeinnahmen hatten, standen plötzlich vor dem Ruin. All die Probleme, die über Jahre unter den Teppich gekehrt wurden, kamen jetzt umso deutlich ans Tageslicht. Von den Umweltproblemen bis zu den sozialen Verwerfungen.
In Spanien wird es besonders deutlich. Nach der Wirtschaftskrise 2009 wurde dort der Tourismussektor liberalisiert, um ihn aus der Rezession zu führen. Zahlen mussten dafür vor allem die Arbeitnehmer:innen. Reinigungskräfte im Hotel verdienten plötzlich 735 Euro statt 1.330 Euro. Gleichzeitig wurde der Kündigungsschutz gelockert. Über all das habe ich mich mit Gonzalo Fuentes unterhalten. Er ist Leiter der Sektion Tourismus der Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO) in Spanien. Nachzulesen in „Tourismus: Wo geht’s Richtung Zukunft?“
Der Wintertourismus hat ähnliche in Probleme. In Österreich kommen gerade einmal 45 Prozent der dort beschäftigten Arbeitnehmer:innen aus dem Inland. Alle anderen kommen als Saisonarbeiter. Die werden aber nur so kurz beschäftigt, dass sie nach der Saison keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Während der Coronakrise hat sich dieses Problem noch einmal verschärft. Darüber habe ich mit Franz Prettenthaler gesprochen. Er ist Direktor des Instituts für Klima, Energie und Gesellschaft am Joanneum in Graz und Mitherausgeber des Buches „Tourismus und Klimawandel“.
Tourismusbranche muss Klimakatastrophe bekämpfen
Zu einem Problem wurden auch die Sozialen Medien. Die führten dazu, dass sogenannte Hotspots noch mehr in den Fokus gerieten. Was populär ist, wird vom Algorithmus eben bevorzugt. Die Hotspots werden immer heißer und müssen mit immer mehr Touristen klarkommen. Also werden mehr Hotels gebaut, was die Situation verschärft.
Doch auch im wortwörtlichen Sinn wurde es immer heißer. Im August 2021 meldete Sizilien mit 48,8 Grad einen europäischen Temperaturrekord. Der Tourismus muss aus zwei Gründen auf die Klimakatastrophe reagieren. Erstens, um sie abzumildern. Auch dieser Sektor muss nachhaltiger werden und weniger Emissionen ausstoßen. Und zweitens, weil sich das eigene Geschäft verändert. Touristen weichen beispielsweise im Sommer auf die „Schultersaisonen“ aus, in denen es kühler ist. So fahren sie eben im Juni oder September an den Strand und nicht mehr im August.
Wie die Klimaneutralität im Jahr 2050 erreicht werden könnte, beschreibe ich in „Viel Einigkeit, wenig Fortschritt“. Und in „Reportage: Hamburger Hafen“ geht es unter anderem über das Leben von Seeleuten auf Kreuzfahrtschiffen.
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