Eine Razzia soll es bei CATL in Thüringen gegeben haben. Dazu verdeckte Ermittlungen und über Felder fliehende Chinesen. Glaubt der MDR. CATL, Zoll und Landesregierung eher nicht.
- Routinekontrolle statt Razzia bei CATL.
- Zoll und Landesregierung widersprechen MDR.
- Eine Geschichte für Table.Media.
Geflüchtet sollen sie sein. Rund 50 Chines:innen seien im Oktober 2022 über die Felder geflüchtet, um einer Routinekontrolle des deutschen Zolls auf der Baustelle von CATL zu entgehen, so der MDR. Daraufhin habe es eine verdeckte Ermittlung vor Ort gegeben. Ergebnis dieser Undercover-Mission sei eine Razzia Anfang des Jahres 2023 gewesen. Das klingt nach einem Wirtschaftskrimi. Schade, dass es tatsächlich eher Clickbait war, wie ich für „CATL in Thüringen: Gerüchte über Razzia haltlos“ recherchieren konnte.
Milliarden-Investition von CATL in Thüringen
CATL steht für Contemporary Amperex Technology. Oder eben CATT für die Contemporary Amperex Technology Thuringia GmbH. Denn in Thüringen investiert der Konzern aus China 1,8 Milliarden Euro, um dort bis Ende des Jahres 2023 mit rund 2.000 Angestellten Batteriezellen zu produzieren. Dann soll das Werk vollständig ausgelastet sein und 14 Gigawattstunden Speicherkapazität jährlich produzieren. Das reicht für 185.000 bis 350.000 Elektroautos. Die Ausbaupläne auf 24 Gigawattstunden hat CATT bereits zur Genehmigung eingereicht.
Die Baustelle ist entsprechend groß. Bei solchen Projekten kontrolliert der Zoll regelmäßig die dort tätigen Handwerker. Das liegt daran, dass die entsprechenden Teams je nach Bauabschnitt wechseln. Um das Fundament vorzubereiten, kommen eben andere Handwerker als für das Dach oder die Elektrik. Dabei handelt es sich um Routinekontrollen, bei denen vor allem die Arbeitsgenehmigungen kontrolliert werden sollen.
Tatsächlich ist es so, dass CATL lange Zeit Schwierigkeiten mit den Arbeitsgenehmigungen der chinesischen Beschäftigten hatte. Stephan Krauß, Sprecher beim Wirtschaftsministerium, erklärt im Interview, dass das vor allem an Corona lag. Oftmals gab es schlichtweg keine Flüge, mit denen die betroffenen Personen hätten ausreisen können. CATL wiederum beklagte, dass die Bearbeitungszeiten zu lange seien. Landesregierung und Konzern richteten daraufhin ein Monitoring ein, um drohende Probleme frühzeitig zu erkennen und lösen zu können.
400 chinesische Expats in Thüringen
Denn insgesamt geht es um rund 400 chinesische Mitarbeiter:innen. Dabei handelt es sich vor allem um Ingenieure und Manager, die den Bau beaufsichtigen und neue Mitarbeiter:innen schulen. „Um sicherzustellen, dass das Werk in der Anfangsphase erfolgreich arbeiten kann, entsenden wir zurzeit hochrangige Mitarbeiter aus der Technologie- und Managementabteilung vom Hauptsitz nach Europa“, so eine Konzernsprecherin.
An dieser Stelle bröckelt auch die Geschichte des MDR. Denn dass Topmanager über Felder flüchten, weil dem Milliardenkonzern ein Strafzettel drohen könnte, obwohl man in Kontakt mit der Landesregierung steht, scheint eher weit hergeholt. Auch ein Sprecher des Hauptzollamtes widerspricht im Interview dieser Darstellung. Davon wisse man nichts.
Auch eine verdeckte Ermittlung habe es nicht gegeben. Das lasse sich schon am Ergebnis der Routinekontrolle Anfang des Jahres ablesen. Es gab bei lediglich einer Person – die bei einem Subunternehmer auf der Baustelle beschäftigt war – eine Beanstandung der Papiere. Hätte es wirklich eine verdeckte Ermittlung gegeben, deren Ergebnis derart überschaubar ausfällt, wäre es die wahrscheinlich schlechteste und überflüssigste verdeckte Ermittlung aller Zeiten gewesen.
Fahrlässig war außerdem der verwendete Begriff. Eine „Razzia“ habe es schlicht nicht gegeben. Für den Begriff gibt es eine festgelegte Definition. Sie ist dann möglich, wenn sich Menschen zu einer Straftat verabreden, wenn nach Personen ohne Aufenthaltsgenehmigung gesucht wird oder Straftaten vereitelt werden sollen. All das war bei CATL jedoch zu keinem Zeitpunkt gegeben. Entsprechend strich der MDR den Begriff schnell wieder.
Aufregung als neues Basisgefühl
Wenn es um China und ihre Unternehmen geht, herrscht eine gewisse Grund-Empörung. Es wird aus politischen und moralischen Gründen sehr viel genauer hingeschaut. Etwas, dass man sich beim Umgang mit europäischen Konzernen oft wünschen würde. Wirtschaftlich kriegen die aber langsam Probleme. Audi verklagte Nio, was viele Beobachter eher als Beißreflex interpretiert haben. Gleichzeitig scheint sich der chinesische Automarkt zur Falle entwickelt zu haben. Deutsche Marken tun sich immer schwerer. Die Konkurrenz aus der Volksrepublik beherrscht die Zulassungsstatistik.
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